Wir sehnen uns nach Wundern

 

Das Übernatürliche ist das, dessen Natur wir noch nicht erreicht haben oder noch nicht kennen, oder dessen Wirkweisen wir noch nicht gemeistert haben. Die allgemeine Wundersucht zeigt, dass des Menschen Anstieg noch nicht zu Ende ist. 

 

Öffne die Augen und sieh, was die Welt wirklich ist und was Gott, lass ab von eitlen und angenehmen Vorstellungen. 

 

Sri Aurobindo

 

 

"Wunder" nennen die Leute nur die Eingriffe in die stoffliche oder die vitale Welt. Und die Eingriffe sind stets mit Regungen der Unwissenheit und Willkür vermischt.

 

Sri Aurobindo

 

 

Was die Leute heutzutage Wunder nennen, wird fast immer von Wesen der vitalen Welt bewerkstelligt oder von Menschen, die mit solchen in Verbindung stehen, und das ist ein Mischmasch – das lässt die Wirklichkeit, die Wahrheit gewisser Dinge gelten, die unwahr sind. Und auf dieser Grundlage wirkt es. Darum ist es unannehmbar. 

 

Die Mutter

 

 

Gerade in dieser Zeit des Umbruchs, die viele Menschen in materielle und geistige Nöte stürzt, flammt bei uns in Momenten der größten Bedrängnis der Wunsch auf, es möge ein Wunder geschehen, das uns aus der misslichen Situation errette. Doch wissen wir, ob diese missliche Situation nicht gerade das Wunder ist, das uns weiterbringt? 

Die christliche Kultur ist von dieser Vorstellung besonders geprägt, denn vollbrachte Jesus Christus nicht viele Wunder, indem er Kranke und Behinderte heilte und Tote wieder auferstehen ließ? Viele verstanden die Botschaft Christi jedoch einseitig und klammern noch heute aus, welchen Beitrag sie selbst dabei leisten sollen. Die Mutter und Sri Aurobindo brachten es fast schmerzhaft auf den Punkt, wenn sie behaupten, die Menschen würden das Göttliche nur dann akzeptieren, wenn sie Es ans Kreuz schlagen können. Ist Gott für uns tatsächlich nur ein Wunscherfüller und Erlöseropfer?    

Man darf nicht vergessen, in welcher Zeit Jesus Christus lebte und auf welchem Bewusstseinsstand sich die meisten Menschen damals befanden. Er brachte ihnen das Wort und handelte und half auf die Weise, derer sie am meisten bedurften.

Heute haben wir Zugang zu einer Vielfalt spiritueller Schriften bis zurück zu den Veden u.a.m. Nahezu alle wurden in Print- und digitale Medien übertragen und sind jedem zugänglich, der sie studieren möchte. Wir werden uns ihrem Wahrheitsgehalt bestmöglich annähern, wenn wir die Essenz dieser Vielfalt erkennen und in die Praxis umsetzen. 

 

Sri Aurobindo wurde im achtzehnten Jahrhundert geboren und sein spirituelles Wirken gelangte  im letzten Jahrhundert zur Reife. Sein Ziel war es u.a., ein Bewusstsein im irdischen Milieu zu verankern, das in der Lage sein würde, auch die Materie nachhaltig zu verändern, selbst in den unbewusstesten Tiefen unserer leiblichen Natur, um das dort bereits involvierte göttliche Bewusstsein zu erwecken. Damit so etwas wie Krankheit oder Tod von vornherein verunmöglicht würde, nebst all dem Leiden, das daraus erwächst. 

 

Als er im Besitz der übergeistigen Macht und Kraft war und beliebig darüber verfügen konnte, und wenn er sie dann zu einem bestimmten Zweck irgendwohin richtete, so wirkte sie unumstößlich und unvermeidlich; die Wirkung war unbedingt. Dies kann man ein Wunder nennen. ...

Er richtete diesen Willen, diese Kraft höherer Harmonie etwa auf irgendeine physische, vitale oder geistige Störung, und das wirkte sogleich. Und es war eine Ordnung, es schuf eine Ordnung, eine höhere Harmonie als die natürliche. Handelte es sich also um eine Heilung, beispielsweise, so war diese vollkommener und vollständiger als eine durch gewöhnliche physische und geistige Mittel erlangte. 

Es hat eine Menge davon gegeben. Aber die Leute sind so blind, so verhärtet in ihrem Normalbewusstsein, dass sie stets Erklärungen finden. Sie liefern immer eine Erklärung. Nur jene, die den Glauben und die Sehnsucht haben und etwas Reines tief innen, d.h. jene, die wirklich wissen wollen, wurden es gewahr. ...

Man nennt nur solche Dinge Wunder, für die man keine klare, oder wenigstens keine mentale Erklärung hat. So gesehen gibt es unzählige Geschehnisse, die Wunder sind, weil man ihr Wie und Warum nicht erklären kann. ...

Nur der Geist hat den Begriff des Wunders, weil er mit der ihm eigenen Logik bestimmt, dass unter den und den Voraussetzungen jenes andere nicht sein könne. Denn wie könnte es vom Gesichtspunkt des Herrn aus ein Wunder geben? Alles ist Er Selbst, der Sich vergegenständlicht. ....

 

Man kann sagen, dass der Sinn für das Wunder lediglich zu einer endlichen Welt gehört, zu einem endlichen Bewusstsein, einer endlichen Auffassung. Es ist der Eintritt – das Hereinströmen, Eingreifen, Durchdringen – plötzlich und unvorbereitet, von etwas, das in dieser physischen Welt nicht existiert.

 

Die Mutter

 

 

Es ist der Herr, der mit seiner Schöpfung spielt, die Er Selbst ist: "Sei still und wisse: Ich bin Gott". Er spielt nach Seinen Vorstellungen, nicht nach unseren. Und so empfinden wir manches als Wunder, weil es unsere mentale Vorstellungskraft übersteigt.   

 

 

Alles ist Wunder hier und kann sich durch Wunder ändern. 

SAVITRI

 

 

Sri Aurobindo soll sich wegen der eingangs zitierten Vermischtheit geweigert haben, irgendeine Art Wunder auf der vitalen oder stoffliche Ebene für alle sichtbar zu tun. Aber er tat sie auf geistiger Ebene, indem er "in das geistige (mentale) Bewusstsein die übergeistige Kraft einließ. Er brachte in das geistige Bewusstsein, das alles Stoffliche regiert, eine Formung oder eine Kraft, die sogleich die Anordnung veränderte. Und das bewirkt unmittelbare und scheinbar unlogische Ergebnisse, weil es nicht dem Lauf der logischen Geistesbewegungen folgt", so die Mutter.  

 

Hätte er seine Schüler mit der ersten Art von Wundern beglückt, wären sie von Ihm als Meister sicher sehr beeindruckt gewesen, denn so mancher folgte dem Yoga nur, um besondere Siddhis zu erlangen. Aber in ihrem Inneren hätte es nichts Nachhaltiges bewirkt, das sie selbst in den Zustand erhebt, in allem nur Wunder zu sehen– auch in sich selbst und ihrem Nächsten.  

 

 

 

In der Erziehung sollten beide Richtungen nebeneinander gefördert werden. Einerseits das Dürsten nach dem Wunderbaren, dem scheinbar Unerreichbaren, etwas, das einen mit dem Gefühl von Göttlichkeit erfüllt. Und gleichzeitig fördert man die Wahrnehmung der Welt wie sie ist, die genaue, unverfälschte und treue Beobachtung, das Ausschließen aller Einbildung, das ständige Überprüfen, den allerpraktischsten und gründlichsten Sinn für Genauigkeit im Einzelnen. Beide müssten zusammen gehen.

 

 Im allgemeinen tötet man das eine ab, weil man das für nötig hält, um das andere wachsen zu lassen – was ganz und gar ein Irrtum ist. Die beiden können zugleich vorhanden sein, und es gibt einen Augenblick, wo das Wissen groß genug ist, um sie als die zwei Seiten ein- und derselben Sache erkennen zu lassen, nämlich des Hellsehens, einer höheren Wahrnehmung. Aber statt einer beschränkten, engen Hellsichtigkeit und Wahrnehmung wird diese völlig treu, genau und unverfälscht, aber sie ist unermesslich, sie umfasst einen ganzen Bereich, der noch nicht zur greifbaren Offenbarung gehört. ...

 

Kennt man dies (Gebärde nach unten) und kennt man das (Gebärde nach oben), so ist man imstande, die beiden zu verbinden. Und das ist die bestmögliche Verwendung des Wunderbedürfnisses, das an sich eine Regung des Unwissens und der Ohnmacht ist: "Ach, ich wünschte, das wäre so!" 

Und die sagen: "Ihr lebt ja in Wundern", das sind solche, die nur das untere Ende kennen, und zwar unvollkommen, und die überhaupt keinen Kontakt mit etwas anderem haben. 

Es gilt, dieses Wunderbedürfnis in bewusste Sehnsucht zu wandeln, ein Streben nach etwas anderem, was bereits existiert und was offenbart werden wird mit Hilfe all dieses Sehnens und Strebens, das notwendig, oder richtiger gesehen, eine Begleitung ist – eine angenehme Begleitung – im ewigen Sichentfalten. 

 

Allerdings sagen einem streng logische Leute: "Wozu beten? Warum sich sehnen, wozu streben? Der Herr tut und wird tun, was Er will." Das versteht sich von selbst, man braucht es gar nicht zu sagen – aber diese Inbrunst: "Herr, offenbare dich!", gibt Seiner Offenbarung eine intensive Schwingung.

Sonst hätte er die Welt niemals so gemacht, wie sie ist – es gibt da eine besondere Kraft, eine besondere Freude, eine besondere Schwingung in dieser eindringlichen Sehnsucht der Welt, wieder das zu werden, was sie ist. 

Und dazu – wenigstens in gewisser Hinsicht, teilweise "dazu" - gibt es eine Evolution. 

Ein ewig vollkommenes Weltall, das ewig die ewige Vollkommenheit offenbart, würde der Freude des Fortschritts entbehren.

 

Mutter, 6. März 1963

 

 

Diese besondere Schwingung, diese besondere Freude und diese eindringliche Sehnsucht gilt es nun auch in unseren Körperzellen zu erwecken. Dass es tatsächlich möglich ist, ist eine der erstaunlichsten und erhabensten Erfahrungen, die es jetzt zu erobern gilt. 

 

 

 

Eines der wunderschönsten und kraftvollsten Mantras

 


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