Was bedeutet `Supramentale Transformation´?

 

 

 

 

Die wahre Bewusstseinsveränderung ist die, welche die physischen Bedingungen der Welt verändern wird und aus ihr eine vollkommen neue macht.

 

Die Mutter

 

 

 


Die dreifache Umwandlung

"Du kennst die drei Dinge, auf denen sich die Verwirklichung gründen muss:

 

1. das Aufsteigen zu einem Ort oberhalb des Mentals [bis zum Supramental] und das Sich-Öffnen in das kosmische Bewusstsein;

2. das seelische Sich-Öffnen [die Beherrschung aller Wesensteile durch das Psychische Wesen];

3. die Herabkunft des höheren Bewusstseins mit seinem Frieden, seinem Licht, seiner Kraft, seinem Wissen und Ananda usw. in alle Ebenen des Wesens bis hinab in das äußerste Physische [die Materie].

All das muss durch das Wirken der Kraft der Mutter geschehen, unterstützt durch dein Streben, deine Weihung, deine Hingabe."

(Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga)

 

Der Begriff der "Supramentalen Transformation" wurde von Sri Aurobindo geprägt. Abgeleitet von dem Präfix "supra" für "über" bezeichnet das Wort "Supramental" jene Bereiche, die weit über unserem gewöhnlichen, dem intuitiven und dem Obermental liegen.  Er bezeichnete es als "Göttliche Gnosis, das sich selbst bestimmende unendliche BewusstseinVom Gesichtspunkt unseres Aufstiegs nach oben aus gesehen ist dies das Wahrheitsbewusstsein, im Gegensatz zu allem darunter, das der sondernden Unwissenheit angehört."

Sondernde Unwissenheit entstand durch den Abstieg des Göttlichen Bewusstseins in die Bereiche der irdischen Manifestation. Dabei wurde die Harmonie der Freude und Glückseligkeit "aufgegeben" und es erfolgte eine Aufspaltung in die unendliche Vielheit der Möglichkeiten, unter anderem die Möglichkeit der vollkommenen Unbewusstheit und Verneinung des Göttlichen. Auch, wenn wir diese Begrenzung ursprünglich freiwillig auf uns genommen haben, macht uns heute diese stark eingeschränkte Wahrnehmung in dieser Welt der Dualität leiden. Diesem vermeintlichen Abgeschnittensein von der göttlichen Quelle liegt in Wirklichkeit jedem Schmerz zugrunde und erzeugt ein Gefühl des Mangels.

Gleichzeitig war die Evolution in einem individuellen Körper die einzige Möglichkeit des Göttlichen Bewusstseins, sich selbst bis ins kleinste Detail zu erfahren. Das wurde nur durch die Akzeptanz von Grenzen und Begrenztheit möglich. Etwa so, als würde man mit der Lupe einen kleinen Ausschnitt des lebendigen Gesamtbilds herausvergrößern, um es in allen Einzelheiten und Farbschichten zu studieren. Jedoch nicht statisch, sondern in der Erkenntnis der Möglichkeit einer noch umfassenderen Harmonie, die sich immerfort aus der vorhergehenden gebiert und von einer Vervollkommnung zur nächsten voranschreitet.

 

Durch die Inkarnation und Arbeit von Sri Aurobindo und Mutter wurde die Supramentale Bewusstseinskraft Mitte des letzten Jahrhunderts ins irdische Milieu herabgebracht und dort dauerhaft verankert. Sie ist damit für das spirituelle Streben aller Menschen erreichbar geworden, um den nächsten evolutionären Schritt zu ermöglichen und voranzutreiben:

 

"Der Weg des Yoga, dem man hier folgt [der Integrale Yoga], unterscheidet sich von anderen Yogawegen in seinen Zielen; sein Ziel ist nicht, sich aus dem gewöhnlichen unwissenden Weltbewusstsein in das göttliche Bewusstsein zu erheben, sondern die supramentale Macht jenes göttlichen Bewusstseins in die Unwissenheit von Mental, Leben [Vital] und Körper herabzubringen, sie umzuwandeln, das Göttliche hier zu manifestieren und ein göttliches Leben in der Materie zu schaffen. Dies ist ein übermäßig schwieriges Ziel und ein übermäßig schwieriger Yoga; vielen oder den meisten wird er unmöglich erscheinen. Alle eingewurzelten Kräfte des gewöhnlichen, unwissenden Weltbewusstseins widersetzen sich ihm, verneinen ihn und versuchen, ihn zu verhindern, und der Sadhak selbst wird sein eigenes Mental, sein Leben und seinen Körper voll der hartnäckigsten Hemmnisse gegen die Verwirklichung dieses Yoga finden.

Wenn du das Ideal mit ganzem Herzen annehmen, allen Schwierigkeiten begegnen, die Vergangenheit mit ihren Bindungen hinter dir lassen kannst, wenn du bereit bist, alles aufzugeben und alles für diese göttliche Möglichkeit einzusetzen, allein dann kannst du hoffen, die Wahrheit dahinter durch die Erfahrung zu entdecken.

Die Sadhana dieses Yoga geht nicht durch eine festgelegte mentale Lehre vonstatten oder durch vorgeschriebene Formen der Meditation, durch mantra oder andere Dinge, sondern durch Streben, durch nach innen oder oben gerichtete Konzentration, durch das Sich-Öffnen für einen Einfluss, für die Göttliche Macht über uns und ihr Wirken, für die Göttliche Gegenwart im Herzen und durch die Zurückweisung all dessen, was diesen Dingen fremd ist. Und allein durch Glauben, Streben und Hingabe kann dieses Sich-Öffnen erfolgen." (a.a.O.)

 

Erstmalig in der Menschheitsgeschichte wird die Transformation der irdischen Materie miteinbezogen. Dazu wird durch die Herabkunft des Supramentalen Bewusstseins das bereits in den Körperzellen involvierte göttliche Bewusstsein erweckt, von seinen evolutionären Rückständen des Unbewussten und Unterbewussten befreit und unser Körper in ein individuelles, göttliches Instrument transformiert.

Unsere Worte sind begrenzt, aber man könnte sagen: Bis hinein ins letzte Atom nimmt Gott nun seine irdischen Geschöpfe vollkommen in Besitz und passt sie seiner fortschreitenden Bewegung an. 

 

 

In der spirituellen Tradition wurde der Körper immer als Hindernis betrachtet, unfähig der Vergeistigung und Veränderung, und als schweres Gewicht, das die Seele an die irdische Natur fesselt und ihr Aufsteigen verhindert, sei es zur spirituellen Erfüllung im Höchsten oder zur Auflösung ihres individuellen Wesens im Höchsten.

Während diese Anschauung von der Rolle des Körpers innerhalb unserer Bestimmung ausreichend für eine Sadhana geeignet ist, die in der Erde ein Feld der Unwissenheit sieht und das Erdenleben als eine Vorbereitung für einen erlösenden Rückzug in höhere Sphären, so ist sie jedoch ungenügend für eine Sadhana, die ein göttliches Leben auf der Erde erwägt und die Erlösung der irdischen Natur selbst als einen integralen Teil des Sinngehaltes der Verkörperung des Geistes hier betrachtet. Wenn die vollkommene Transformation des Wesens unser Ziel ist, muss die Transformation des Körpers ein unabdingbarer Teil derselben sein; ohne diese ist kein vollkommenes göttliches Leben auf der Erde möglich. 

 

Sri Aurobindo

 

 

 

Das Supramentale liegt zwischen Saccidananda und der niederen Schöpfung. Es allein enthält die selbst bestimmende Wahrheit des Göttlichen Bewusstseins und ist für eine Wahrheits-Schöpfung notwendig. 

Natürlich kann man Saccidananda auch in Bezug auf Mental, Leben und Körper als Wirklichkeit erfahren, aber dann ist es etwas Starres, das durch sein Dasein die niedere Prakriti stützt, sie aber nicht wandelt. Nur das Supramental kann die niedere Art transformieren. 

 

 

 

 

Das Übermenschentum besteht nicht in einem Menschsein, das seinen naturgegebenen Zenit erklommen hat, es ist kein höherer Grad menschlicher Größe, Macht, Intelligenz, menschlichen Wissens, Willens, Charakters, Genies, dynamischer Kraft, Heiligkeit, Liebe, Reinheit oder Vollkommenheit. Das Supramental liegt jenseits des mentalen Menschen und seiner Grenzen. 

 

Dieses einzig Wesentliche aber muss den Vorrang haben: die Verwandlung des ganzen menschlichen Lebens unter der Führerschaft des Geistes. Der Aufstieg des Menschen zum Himmel ist nicht das wesentliche, vielmehr ist es sein Aufstieg im Irdischen zum Geist und der Abstieg des Geistes in seine natürliche Menschlichkeit, die Verwandlung seiner irdischen Natur. Dies, nicht irgendeine Erlösung nach dem Tod, ist die wirkliche Neugeburt, die die Menschheit erwartet als Krönung ihres langen, dunklen und leidvollen Weges.

 

Sri Aurobindo


Die transformative Kraft im Körper

 

Folgende Ausführungen über das Agni sind inhaltlich schwerpunktmäßig folgendem Buch entnommen: Sri Aurobindo oder das Abenteuer des Bewusstseins, S. 297.

 

Die alten vedischen Seher sprachen bereits vor einigen tausend Jahren vom sogenannten Agni in der Materie, somit auch in den Zellen des Körpers, sowie von seiner solaren Macht:  Er hat die Finsternis weit auseinandergespalten, wie man eine Tierhaut zerteilt, um unsere Erde unter seiner leuchtenden Sonne auszubreiten.

(V.85.1; Anm.: In den Veden ist die "Erde" auch ein Symbol für das eigene Fleisch.) 

Sri Aurobindo entdeckte bei seinen yogischen Forschungen dasselbe Agni in den Körperzellen im Jahre 1910. Bevor er die Veden las und in einer Zeit, als die Kernphysik noch in den Anfängen steckte. 1926 stellte er in einem Gespräch mit einem französischen Physiker über die damals "moderne“ Naturwissenschaft fest:

 

"Es gibt zwei Aussagen der modernen Wissenschaft, die vom spirituellen Standpunkt aus gesehen ein tieferes Echo auslösen:

1. Atome sind rotierende Systeme ähnlich dem Sonnensystem.

2. Die Atome aller Elemente bestehen aus den gleichen Bestandteilen. Eine unterschiedliche Anordnung ist die einzige Ursache unterschiedlicher Eigenschaften. ...

Der Erfahrung der Yogins des Altertums zufolge ... gibt es drei Aspekte von Agni:

1. gewöhnliches Feuer, jada Agni

2. elektrisches Feuer, vaidyuta Agni

3. solares feuer, saura Agni.

Die Wissenschaft kennt bis heute nur das erste und das zweite dieser Feuer. Die Tatsache, dass das Atom dem Sonnensystem gleicht, könnte zu einem Wissen über das dritte Feuer führen."

 

Sowohl die alten Rishis als auch Sri Aurobindo erkannten dieses Agni in der Materie als transformative Kraft und wussten um die atomare Wirkung. Bis dahin hatte die Wissenschaft die Kernfusion und später die Kernspaltung noch nicht entdeckt.

Die physikalische Tatsache, dass alle existierenden Formen aus den gleichen Elementen bestehen und die unterschiedlichen Ausprägungen nur auf die Anordnung und Verbindung der Atome zurückzuführen sind, entspricht der spirituellen Aussage, dass nur das Göttliche Bewusstsein existiert, alles aus ihm hervorgegangen ist und in ihm enthalten ist, bzw. alles aus ihm besteht. Die Materie und damit auch unsere Körper sind somit kein starrer und unveränderlicher Stoff. Sie können erneut auf atomare Weise verändert und angepasst werden.

Und genau das geschieht, wenn die Supramentale Macht auf das Zellbewusstsein einwirkt, begleitet von einer hitzigen Glut im Körper, ohne darin zu verbrennen.  

 


Das Psychische Wesen


Das psychische Wesen ist ein Wesen, das sich progressiv durch alle Leben hindurch bildet. Wenn man also von der Seele spricht, meint man damit das psychische Wesen (das zuerst in embryonaler Form existiert und am Ende zu einem bewussten, völlig unabhängigen Wesen wird.

 

Die Mutter 

Der von Sri Aurobindo geprägte Begriff des psychischen Wesens hat nichts mit dem zu tun, was wir unter der Psyche (Bereich der Emotionen = Vital) eines Menschen verstehen. Er wird in der Literatur synonym mit dem des seelischen Wesens verwendet. Beide Begriffe werden hier intuitiv verwendet.

Das psychische oder seelische Wesen bezeichnet den individuell entwickelten Repräsentanten der Seele eines jeden Menschen, der sich im Laufe der Inkarnationen um die Seele herum bildet. Er ist die dynamische Kontinuität, das Wirkliche unseres Seins, und befindet sich mittig, tief hinter dem physischen Herzen in einer höheren Dimension gelegen.

Folgen wir einem spirituellen Pfad, beschleunigen wir das Wachstum dieses "inneren Gurus". Er ist direkt mit der göttlichen Quelle verbunden und bleibt von den Wechselfällen des Lebens unberührt. Für lange Zeit ist er von den äußeren Schichten unserer irdischen Natur überlagert: Unseren Glaubenssätzen, Wünschen, Begierden, Gewohnheiten, körperlichen Reaktionen, etc., sodass wir seine Durchgaben nicht oder nur begrenzt empfangen können.

Diesem seelischen Wesen kommt in der Supramentalen Transformation eine zentrale und unverzichtbare Bedeutung zu: Ist einmal die Verbindung zum Supramental hergestellt, reagiert es am unmittelbarsten darauf. Es führt uns bis in alle äußeren Schichten durch diesen Prozess und organisiert den neuen Körper um sich herum, wie es das mit dem jetzigen tut. Es sorgt dafür, dass wir sicher durch alle Tiefen und Erschütterungen gelangen, die der Weg der körperlichen Transformation mit sich bringt. Es ist deshalb ratsam, zuerst an der Entwicklung des spirituellen Herzzentrums zu arbeiten, um das psychische Wesen zu erwecken und zu stärken und sich immer mehr seinem Wirken zu unterstellen.

 

Unser seelisches Wesen dient ausschließlich dem Guten, Wahren und Schönen:

 

"Durchseelung bedeutet Wandlung der niedrigeren Natur; sie bringt die rechte Schau in das Mental, den rechten Impuls und das rechte Fühlen in das Vital und die rechte Bewegung und Gewohnheit in das Physische – alles dem Göttlichen zugewandt, alles auf Liebe, Anbetung und bhakti beruhend – [sie bringt] schließlich das Erkennen und Fühlen, dass die Mutter überall ist, in allem, und auch im Herzen, dass ihre Kraft im Wesen wirkt, sowie Glauben, Weihung, Hingabe." (Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga III)

 

Unsere seelische Individualität ist erwünscht, wie die verschiedenen Farben eines Gemäldes. Sie entwickelt sich von Inkarnation zu Inkarnation durch die gemachten Erfahrungen und geht nicht mehr verloren. Sie darf ihren Ausdruck auch nach der Supramentalen Umwandlung in einem ihr eigenen, vergöttlichten Körper bewahren.

 

 

Die Mitteilungen des Psychischen kommen nicht in mentaler Form. Es sind weder Ideen noch Gedankengänge. Sie haben ihren eigenen Charakter, klar unterschieden vom Mental, etwas wie ein Gefühl, das sich selbst versteht und handelt.

     Das Psychische ist seiner Natur nach ruhig, gelassen und leuchtend, verständnisvoll und großzügig, weit und fortschrittlich, ständig bemüht um Verständnis und Fortschritt.

Das Mental beschreibt und erklärt. Das Psychische sieht und versteht.

 

Die Mutter, 1971

 

 


6. April 2018; aktualisiert am 18. April 2020 und am 25.Juni 2022

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