"Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation weist einen grundlegenden Fehler auf" (Teil I)

Georgia Guidestones im unbeschädigten Zustand
Georgia Guidestones im unbeschädigten Zustand

 

 

 

Aus: Sri Aurobindo, Zyklus der menschlichen Entwicklung

Das spirituell-geistige Ziel und das Leben

 

 

Die Fortschritte unseres zivilisierten Lebens enden in einer Erschöpfung der Vitalität und in der Weigerung der Natur, weitere Fortschritte in gleicher Richtung zu unterstützen. Unsere zivilisierte Mentalität, die zu eigenem Vorteil das Gleichgewicht im Menschen gestört hatte, entdeckt schließlich, dass sie erschöpft und vernichtet hat, was sie nährte, dass sie auf diese Weise das Vermögen zu gesunder Leistung und Schaffenskraft verloren hat. So musste man feststellen, dass die Zivilisation viel mehr Probleme schuf, als sie zu lösen vermag, dass sie übertriebene Bedürfnisse und Wünsche vervielfachte, zu deren Befriedigung sie nicht genügend vitale Kraft besitzt, dass sie einen Dschungel von Ansprüchen und künstlichen Instinkten wachsen ließ, in dem das Leben die Richtung seines Weges verliert und keinen Ausblick auf das Ziel mehr besitzt.

Fortgeschrittenere Denker beginnen die Zivilisation als Fehlschlag zu erklären, und die Gesellschaft fängt an, dies als berechtigt zu empfinden. Als Heilung wird entweder vorgeschlagen, anzuhalten, sogar zurückzugehen, ein Verfahren, das schließlich nur noch mehr Verwirrung, Erstarrung und Verfall zur Folge hat, oder sich zur »Natur« zurückzuwenden, was unmöglich ist oder nur durch eine Umwälzung oder Auflösung der Gesellschaft erreicht werden kann. 

 

 

 

Man erhofft sich sogar eine Heilung durch mehr und mehr wissenschaftlich ausgebaute, auf die Spitze getriebene, künstliche Hilfsmittel, durch vielfältige mechanische Auswege, durch eine stärkere wissenschaftliche Organisation des Lebens. Das würde bedeuten, dass die Maschine das Leben ersetzt, dass der eigenwillige logische Verstand die Stelle der umfassenden Natur einnehmen und der Mensch in der Mechanisierung Rettung finden wird. Ebensogut könnte man sagen, eine Krankheit bis zu ihrer Krise treiben, sei das beste Heilmittel für sie.

 

Im Gegenteil könnte man mit einiger Wahrscheinlichkeit behaupten, dass der grundlegende Fehler unseres ganzen Systems die mangelnde Entwicklung eben dessen ist, was die Gesellschaft am meisten vernachlässigt hat: des geistig-seelischen Elements, der Seele des Menschen, die sein wahres Wesen ausmacht. Selbst ein gesunder Körper, eine starke Vitalität, aktive und klare mentale Fähigkeiten, selbst die Möglichkeit, diese zu betätigen und Befriedigung an ihnen zu finden, bringt den Menschen nur einen kleinen Schritt vorwärts. Bald wird er unwillig und müde, da er sich nicht wirklich selbst findet und kein befriedigendes Ziel für sein Handeln und sein Fortschreiten sieht. Diese drei Dinge machen nicht die Summe vollkommenen Menschentums aus. Sie sind nur Mittel, um ein weiteres Ziel zu erreichen und können auf die Dauer nicht als Ziel an sich angesehen werden. Selbst, wenn man ein Leben reich an Gefühlen auf hohem ethischen Niveau annimmt, fehlt noch ein Zusätzliches, fehlt ein höchstes Gut, das in diesen Dingen liegen sollte, das sie aber nicht selbst zu erreichen, das sie nicht zu entdecken vermögen, solange sie nicht über sich selbst hinauswachsen. Auch, wenn man ein religiöses System und einen umfassenden Geist des Glaubens und der Frömmigkeit annimmt, hat man doch nicht den Weg sozialer Rettung gefunden.

Alle diese Dinge hat die menschliche Gesellschaft entwickelt. Aber nichts bewahrte sie vor Enttäuschung und Verfall. Die alten intellektuellen Kulturen Europas endeten jäh in Skepsis, Ohnmacht, die Frömmigkeit Asiens in Erstarrung und Niedergang.

 

Die heutige Gesellschaft hat eine neue Grundregel für das Überleben und den Fortschritt gefunden, das Ziel dieses Fortschritts aber hat sie niemals entdeckt, es sei denn, dieses Ziel wäre immer mehr Wissen, mehr Material, mehr Annehmlichkeit und Bequemlichkeit, mehr Vergnügen, eine immer größere Vielfalt der Wirtschaft, ein immer inhaltsreicheres, satteres Leben. Diese Dinge müssen aber letztlich zu dem gleichen Ziel führen wie die früheren, denn sie sind nur das gleiche, wenn auch in größerem Umfang. Sie führen deshalb im Kreis herum, das heißt, nirgends hin. Sie führen nicht fort aus dem Kreislauf von Geburt, Wachstum, Verfall und Tod. Sie finden nicht das eigentliche Geheimnis einer Verlängerung des Lebens durch stete Selbsterneuerung, die Grundgesetz der Unsterblichkeit ist, sondern scheinen dieses nur für einen Augenblick zu erreichen durch die Vortäuschungen einer Reihe von Experimenten, die alle in Enttäuschung enden. Solcher Art ist bisher der moderne Fortschritt gewesen.

Hoffnung verspricht erst die Wendung nach innen, hin zu einer größeren Subjektivität, an deren Beginn wir jetzt zu stehen scheinen. Denn diese Wendung verhilft vielleicht zu der Erkenntnis, dass die wirkliche Wahrheit des Menschen in seiner Seele zu finden ist. Es ist freilich noch nicht sicher, dass ein subjektives Zeitalter uns zu dieser Erkenntnis führen wird, aber es gibt uns die Möglichkeit; es kann, sinnvoll geführt, die stärkere Aufgeschlossenheit unseres Innen dort hinwenden.

Man könnte sagen, dies sei eine alte Weisheit und habe unter dem Namen Religion schon die alten Gesellschaftsformen beherrscht. Aber dies trifft nur scheinbar zu. Religionen hatten nur Bedeutung für das Leben des Einzelnen, und auch für dieses suchte man Erfüllung nicht auf Erden, sondern in einem Jenseits. Die Erde galt nur als Ort der Vorbereitung für die einsame Erlösung oder Befreiung von der Last des Lebens. Die menschliche Gesellschaft sah die Erkenntnis der Seele niemals als die Möglichkeit an, das Gesetz des eigenen Seins zu erkennen, und suchte in dem Wissen um die wahre Natur der Seele, ihre Notwendigkeiten und ihre Vollendung niemals den rechten Weg zu irdischer Erfüllung

Wenn wir die früheren Religionen in ihrem sozialen Aspekt gesondert von dem individuellen betrachten, dann stellen wir fest, dass der Gebrauch, den die Gesellschaft von ihnen machte, sich nur auf ihre ungeistigsten, zumindest ihre weniger seelisch-geistigen Teile bezog. Sie benutzte die Religionen lediglich, um ihren vielfältigen Gebräuchen und Einrichtungen eine erhabene, ehrfurchtgebietende, sozusagen ewige Bestätigung zu geben. Sie wob um diese ein verschleiertes Mysterium zur Abwehr menschlicher Fragen, sie schuf einen unsichtbaren Schild gegen Neuerungen. Soweit sie ein Mittel zur menschlichen Erlösung und Vollendung in der Religion sah, bemächtigte sie sich ihrer sofort, um sie zu mechanisieren, um die menschliche Seele zu fangen und sie in ein sozial-religiöses System einzubinden und an Stelle der Freiheit ihr den Zwang eines Joches und eines eisernen Gefängnisses aufzuerlegen. Auf das religiöse Leben des Menschen wurde eine Kirche, eine Priesterschaft, eine Menge von Zeremonien aufgebaut und eine große Zahl von Wachhunden unter dem Namen von Glaubensformeln und Dogmen losgelassen, die man anerkennen und denen man gehorchen musste bei Androhung ewiger Verdammnis durch einen ewigen, jenseitigen Richter, genauso wie man die Gesetze der Gesellschaft gehorsam anzunehmen hatte, um nicht von einem irdischen Richter zu Gefängnis oder Tod verurteilt zu werden. Diese missverstandene Sozialisierung der Religion ist immer der Hauptgrund ihres Versagens bei der Erneuerung der Menschheit gewesen.

Denn nichts kann für eine Religion und ihr seelisch-geistiges Element verhängnisvoller sein, als dass sie durch äußere Hilfen, Formen und Mechanismen in ihrem Wesen zerstört oder in Regeln gebunden wird. Die Fehler, die bei der sozialen Anwendung der Religion früher gemacht wurden, zeigen sich in ihren Folgen. Die Geschichte hat mehr als einmal das Zusammentreffen von größtem religiösem Eifer und Frömmigkeit mit dunkelster Unwissenheit aufgezeigt, mit finsterstem Schmutz und Vegetieren der Menschenmassen, mit einer ausgesprochenen Herrschaft der Grausamkeit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung, mit der Organisation eines äußerst gewöhnlichen Lebens, das kein Streben und keine Höhen kannte und kaum an der Oberfläche berührt war von intellektueller oder halbspiritueller Erleuchtung. Und dieses alles endete in einer weitgreifenden Empörung, die sich vor allem gegen die bestehende Religion als den Kern aller Falschheit, des Bösen und der Unwissenheit richtet.

 

Ein anderes Warnzeichen ist es, wenn eine zu gewissenhafte Beobachtung des sozial-religiösen Systems, seiner Riten und Formen, die gerade aus der Tatsache dieser Überbetonung ihren eigentlichen Sinn und ihren wirklichen religiösen Wert verlieren, zum Gesetz und wichtigsten Ziel einer Religion wird an Stelle geistigen Wachstums von Individuum und Menschheit.

Ebenso ist es ein Zeichen des Versagens, wenn das Individuum der Gesellschaft entfliehen muss, um Raum für sein spirituelles Wachstum zu finden. Ist das menschliche Sein dem sich nicht erneuernden Mentalen, dem Leben und Körper überantwortet, ist der Raum geistiger Freiheit von den Fesseln der Kirche und Lehre eingenommen, von den Gesetzen der Unwissenheit, dann muss der Mensch dieses alles verlassen, um in einem Kloster oder auf Bergeshöhen, in Höhlen, Einsiedeleien oder Wäldern sein geistiges Wachstum zu suchen.

 

Solange diese Trennung zwischen Leben und Spirit besteht, ist das Urteil über das menschliche Leben gesprochen. Entweder, es spielt sich in dem gewohnheitsmäßigen Kreislauf ab, oder es wird als unwürdig und unwirklich, als eitelste Eitelkeit empfunden. Es verliert das Vertrauen in sich selbst, den inneren Glauben an den Wert seiner irdischen Ziele, sraddha, ohne die es nichts erreichen kann. Denn der Spirit des Menschen muss nach den Höhen streben. Verliert er seine Spannung und sein Streben, wird die Menschheit bewegungslos werden und erstarren oder sogar in Dunkelheit und Staub versinken. Verwirft das Leben den Spirit oder der Spirit das Leben, kann es noch immer eine Selbstbestätigung des innersten Seins geben. Es kann auch eine beachtliche Zahl von Heiligen und Einsiedlern auf dem fruchtbaren Boden der Spiritualität leben. Doch ehe nicht die Menschheit, die Gesellschaft, die Nation zur Spiritualisierung des Lebens geführt wird oder sich selbst, vom Licht eines Ideals geleitet, zu ihr entwickelt, wird das Ergebnis Kleinlichkeit, Schwäche und Erstarrung sein.

Oder aber die Menschheit muss den Intellekt wieder zur Hilfe aufrufen als gewisse Hoffnung, als neues Ideal, und im Kreislauf durch ein Zeitalter des Rationalismus wieder frischen Antrieb für eine erneute Darstellung der geistigen Wahrheit erhalten, für einen neuen Versuch zur Spiritualisierung des menschlichen Lebens.

 

 

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