Lass dich von Hindernissen nicht entmutigen

 

 

Das Vorhandensein von Unvollkommenheiten, selbst vieler und schwerwiegender Unvollkommenheiten, kann kein bleibendes Hindernis für den Fortschritt im Yoga sein.

 

 

Ich meine nicht die Wiedererlangung des früheren Sich-Öffnens, denn meiner Erfahrung nach ist das, was nach einer Zeit der Behinderung oder des Kampfes kommt, meist ein neues und weiteres Sich-Öffnen, ein umfassenderes Bewusstsein und ein Fortschritt gegenüber dem bereits Gewonnenen, das für den Augenblick verloren scheint – aber nur scheint.


Das einzige Hindernis, das dauerhaft sein kann – aber nicht sein muss, denn auch das kann sich ändern –, ist Unaufrichtigkeit, und damit bist du nicht behaftet.

 

Wenn Unvollkommenheit ein Hemmnis wäre, könnte niemand im Yoga erfolgreich sein, denn alle sind unvollkommen, und ich bin mir nach all dem, was ich beobachten konnte, nicht sicher, ob jene, die die größten Fähigkeiten zum Yoga haben, nicht auch sehr oft mit den größten Unvollkommenheiten belastet sind oder waren. Du kennst vermutlich den Kommentar von Sokrates über seinen eigenen Charakter; das gleiche könnte man von vielen großen Yogis über ihre ursprüngliche menschliche Natur sagen.

 

Aufrichtigkeit im Yoga ist die einzige Sache, die letzten Endes zählt, und mit ihr die Geduld, auf dem Pfad auszuharren – viele schlagen sich durch, sogar ohne diese Geduld, denn trotz Aufruhr, Übereifer, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung, Ermüdung und der zeitweiligen Einbuße des Glaubens treibt sie eine Kraft, die größer ist als ihr äußeres Selbst, die Kraft des Spirits, das drängende Bedürfnis der Seele, durch Wolken und Nebel dem vor ihnen liegenden Ziel entgegen. Unvollkommenheiten können ein Hemmschuh sein und für den Augenblick zu einem schlimmen Sturz führen, doch sind sie kein dauerndes Hindernis. Hemmnisse infolge eines Widerstandes in der menschlichen Natur können ernsthaftere Ursachen der Verzögerung darstellen; aber auch sie währen nicht ewig.

 

 

Auch die lang anhaltende Dumpfheit ist kein hinreichender Grund dafür, den Glauben an deine Eignung oder deine spirituelle Bestimmung zu verlieren.

Ich glaube, dass Wechsel von lichten und dunklen Zeiten eine nahezu universale Erfahrung des Yogi darstellen und Ausnahmen sehr selten sind. Wenn man nach den Ursachen dieses Phänomens forscht – ein für unsere ungeduldige menschliche Natur sehr unliebsames Phänomen –, dürften sich, wie ich meine, hauptsächlich zwei abzeichnen:

 

Die erste ist, dass das menschliche Bewusstsein weder eine andauernde Herabkunft des Lichtes, der Macht oder des Anandas ertragen, noch auf einmal empfangen und in sich aufnehmen kann; es braucht Zeiten der Assimilation; diese Assimilation jedoch geht hinter dem Schleier des Oberflächen-Bewusstseins vor sich; die herabgekommene Erfahrung oder Verwirklichung zieht sich hinter den Schleier zurück und lässt dieses äußere oder Oberflächen-Bewusstsein brachliegen und für eine neue Herabkunft bereit werden.

In den höher entwickelten Stadien des Yoga werden diese dunklen oder dumpfen Zeitspannen kürzer, sind weniger ermüdend und werden durch die Empfindung des größeren Bewusstseins angehoben, welches, wenngleich nicht für den unmittelbaren Fortschritt wirkend, dennoch bestehen bleibt und die äußere Natur stützt.

 

Die zweite Ursache ist ein gewisser Widerstand, etwas in der menschlichen Natur, das die erfolgte Herabkunft nicht gefühlt hat, das nicht bereit, vielleicht nicht willens ist, sich zu wandeln – oft ist es auch eine starke gewohnheitsmäßige Prägung des Mentals oder des Vitals oder eine zeitweilige Trägheit des physischen Bewusstseins und nicht genau genommen ein Teil der menschlichen Natur –, und hierdurch wird, erkennbar oder nicht, das Hindernis geschaffen.

 

Wenn man die Ursache in sich selbst auffinden, sich eingestehen, ihr Wirken erkennen und die Göttliche Macht zu ihrer Beseitigung herabrufen kann, ist es möglich, die Zeiten der Finsternis weitgehend zu verkürzen und ihre Härte zu mildern.

 In diesem Fall ist es das beste, sich nicht zu quälen, nicht zu verzagen, sondern ruhig und beharrlich weiterzumachen, sich offen zu halten, ausgebreitet für das Licht und in vollem Glauben darauf zu harren, dass es kommt; meiner Erfahrung nach werden so diese Bewährungsproben verkürzt.

Später, wenn das Hindernis verschwunden ist, erkennt man, dass ein großer Fortschritt erzielt wurde und das Bewusstsein wesentlich fähiger ist, aufzunehmen und zu bewahren, als vorher.

Im spirituellen Leben bringt jede Heimsuchung und Prüfung einen Gewinn.

 

 

Im Hintergrund jedenfalls wirkt die Göttliche Macht immer; und eines Tages, vielleicht wenn man es am wenigsten erwartet, bricht das Hindernis zusammen, die Wolken weichen zurück, und es herrschen wieder Licht und Sonnenschein.

 

Sri Aurobindo

 


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