Visionen und innere Mitteilungen

 

 Alle Visionen haben eine Bedeutung der einen oder anderen Art. Diese Fähigkeit der inneren Schau ist für den Yoga sehr wichtig und sollte nicht zurückgewiesen werden, wenngleich sie nicht das Wichtigste ist – denn das Wichtigste ist die Wandlung des Bewusstseins. Alle anderen Fähigkeiten, wie die der inneren Schau, sollten ohne Verhaftetsein als zum Yoga gehörig und für ihn förderlich entwickelt werden.

 

Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga

 

Sehr häufig sind die ersten inneren Visionen das Wahrnehmen von Lichtbewegungen:   

 

"Die häufige Vision von Lichtern ... ist meist ein Zeichen dafür, dass der Betreffende nicht durch sein äußeres Oberflächen- oder Wach-Bewusstsein begrenzt ist, sondern eine latente Fähigkeit hat (die durch Training und Übung vervollständigt werden kann), in die Erfahrungen des inneren Bewusstseins einzutreten, das von den meisten Menschen nicht wahrgenommen wird, sich aber durch die Ausübung des Yoga öffnet. Durch dieses Sich-Öffnen [des Bewusstseins] wird man sich der feinstofflichen Ebenen der Erfahrung und der Daseinswelten, die von der stofflichen verschieden sind, bewusst. Für das spirituelle Leben ist ein noch weiteres Sich-Öffnen gegenüber einem innersten Bewusstsein erforderlich, durch das man das Selbst und den Spirit gewahrt, das Ewige und Göttliche." (Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga)

 

Im Lauf des Integralen Yoga können Visionen die Form informativer, symbolhafter und zuweilen verstörender Mitteilungen annehmen. Diese innere Schau ist zu begrüßen und hilfreich, wenn man besonnen damit umgeht.   

 

 

Nicht alle Mitteilungen sind sinnvoll

 

Sie erheben sich von selbst während der Meditation oder nachts im Schlaf.  Nicht alle sind von Bedeutung und es erfordert Bereitschaft, Übung und Aufrichtigkeit, sie zu entschlüsseln und davon zu profitieren. Es gilt zu unterscheiden, um welche Art von Mitteilung es sich handelt und aus welchem Bereich sie stammt. Misst man zum Beispiel eindringenden vitalen Störungen zu viel Bedeutung bei, kann es negative Folgen haben.  Ebenso, wie entsprechende Warnungen zu ignorieren. 

 

Es gibt gewöhnliche nächtliche Träume, die nur ein mechanisches Weiterlaufen des Mentals sind, das seine Aktivität im Schlaf fortsetzt. Dem kann man vor dem Einschlafen durch gezieltes Abstellen jeglichen Grübelns, bewusste Entspannung des ganzen Körpers und dem Verwenden vom Mutters oder dem eigenen Mantra entgegenwirken. Das wird die Schlafqualität und die Intensität der Regeneration erheblich steigern.

 

Manchmal werden vitale Anteile verarbeitet, z.B. Ängste "in Szene gesetzt" und auf diese Weise ins Bewusstsein gerückt. Sie können zurückgehen auf gewohnheitsmäßige Verhaltensmuster, die uns bestimmen, oder auf Ereignisse in unserem Leben, die uns momentan beschäftigen.  

 

Daneben gibt es Visionen mit einem tieferen Symbolgehalt. Sie wirken lange nach, werden als besonders lebendig und bedeutungsvoll empfunden und wir verspüren das Bedürfnis, sie nach dem Aufwachen "festzuhalten" und ihren tieferen Sinn zu entschlüsseln. Das erfordert eine gewisse Vorsicht, da nicht alle nächtlichen Mitteilungen aus den höheren Regionen stammen. Wie schon erwähnt, können widergöttliche Einflüsse gerade dann im Schlaf eindringen, wenn wir meinen, sie im Wachzustand gemeistert zu haben. 

Nicht selten sind wir während der Nachtruhe in vitalen Regionen unterwegs, die nicht alle ungefährlich sind. Angriffe, die dort auf uns verübt werden, können sich im Wachzustand als Unfälle, Verletzungen oder Krankheiten manifestieren. Man sollte deshalb neben der erwähnten Entspannung und Ausrichtung auf das Göttliche vor dem Einschlafen zusätzlich um Schutz bitten. Man erfährt dann, dass man im Schlaf bedrohliche Situationen schneller erkennt, davor fliehen kann oder sogar in der Lage ist, Mutter um Hilfe zu rufen. Hier handelt es sich nicht um reine Visionen, sondern um tatsächlich durchlebte Erfahrungen.

Hin und wieder werden wir durch unser seelisches Wesen oder eine andere höhere Macht gewarnt vor Situationen, Unfällen oder Auseinandersetzungen mit Menschen, die sich zukünftig im realen Leben ereignen werden. Diesen Warnträumen sollte man Aufmerksamkeit schenken und in der nächsten Zeit achtsam sein. 

Manche Visionen finden einmalig statt, andere wiederholen sich immer auf dieselbe Weise oder in veränderter Form. Man kann dadurch wertvolle Hinweise auf zu bearbeitende Widerstände oder einen gemachten Fortschritt erhalten. 

Mit der Zeit lernt man ihren Wahrheitsgehalt zu unterscheiden von unsinnigen, verstörenden Inhalten. 

  

 

Kann man diese Mitteilungen und Visionen fördern? 

 

Die beste Methode, sich zu erinnern, ist, sich auf die Aufwachphase zu konzentrieren. Sehr oft werden wir während einer dieser "Traumphasen" wach. Fühlt man, dass man aus dem Schlaf in die Wachphase auftaucht, darf man sich keinesfalls im Bett herumdrehen oder bewegen.  Ein konzentriertes, rückwärtsgerichtetes  "Lauschen" bewirkt, dass wir die Verbindung zu dieser Schwingungsebene aufrecht erhalten und die Erfahrung in unser Tagesbewusstsein mit hinübernehmen können.

Da wir nachts meist auf verschiedenen Schwingungsebenen unterwegs sind, werden manche dieser nächtlichen Mitteilungen von den nachfolgenden Ebenen bis zum Morgen wieder überlagert und wir erinnern uns nicht mehr daran. Zettel und Stift auf dem Nachtkästchen als verstärkende Absichtserklärung können bewirken, dass man plötzlich mitten in der Nacht erwacht, um sie aufnotieren zu können.

Möchte man die Fähigkeit zur inneren Schau aktiv fördern, bietet sich ein Seminar zum Katathymen Bilderleben an oder entsprechende Bücher zum Selbststudium.

 

Visionen aller Art begleiteten mich auf einem bestimmtem Abschnitt des Wegs, dann nahmen sie wieder ab. Für den Yoga sind sie nicht essentiell, aber eine wertvolle Erfahrung, wie weitreichend wir vernetzt sind über das hinaus, was unsere 5 Sinne für gewöhnlich wahrnehmen. Man sollte sie nicht als spektakuläre Unterhaltung missdeuten und sich davor hüten, damit das spirituelle Ego zu befeuern. 

 

 

 

Beispiele eigener visionen

 

Grundsätzlich wird davon abgeraten, über spirituelle Erfahrungen zu sprechen, da sie allein für uns bestimmt sind und wir sie nicht ohne Grund erhalten. Liegen sie jedoch weiter zurück und sind sie abgeschlossen, kann man sie weitergeben, ohne ihre Wirkung dadurch zu schmälern. Ich empfinde es als hilfreich für andere, darüber zu schreiben. [Der Beitrag von 25. April 2018 wird hier noch einmal überarbeitet und um heutige Erkenntnisse ergänzt eingestellt.] 

 

 

Orientierungslos

 

Nach vielen Jahren des spirituellen Strebens und dem Studieren vielfältigster Literatur kam es zu einem Empfinden des Stillstands. Die rein geistige Erleuchtung, also das Verneinen des Körpers oder das Zurückweisen der materiellen Welt, empfand ich schon immer als sinnlos. Zudem endete jede meiner Meditation mit einer kurzen körperlichen Erfahrung, die ich mir nicht erklären konnte. Sie war nirgendwo beschrieben.

Ich drehte mich im Kreis. Wozu also das Ganze? 

Wie es häufig der Fall ist, schien mir eine Veränderung in den äußeren Lebensumständen die Lösung zu sein und es folgte eine berufsbegleitende Ausbildung, um ins Therapeutenfach überzuwechseln. Trotzdem ergab sich im inneren Erleben keinerlei Veränderung.

Während dieser Zeit kehrte eine Vision permanent und unverändert wieder:

 

Vision 1:

Ich gehe eine gerade Straße entlang. Jedes Mal komme ich an einem kreisrunden Platz an, ähnlich einer beweglichen Plattform, von der fünf oder sechs andere Wege in eine andere Richtung abgehen. Die Vision endet immer wieder an diesem Punkt. 

 

Diese Vision wiederholte sich mehrmals nachts und tatsächlich in einer geführten Hypnose während meiner Zusatzausbildung. Wir sollten mit dem uns umgebenden Bewusstseinsfeld in Verbindung gehen mit der Frage nach unserer Zukunft.     

 

Vision 2, nachts:

Ich laufe durch eine Landschaft und weiß nur: Ich bin auf dem Weg nach Hause. Die Landschaft ist mir vertraut, ich erkenne sie wieder. Aber ich weiß nicht, woher.  

Der Weg wird allmählich beschwerlich und erschöpfend. Ich habe den Eindruck, je mehr ich zurücklege, umso länger wird er.

Ich komme in eine Ortschaft, in deren Straßenlabyrinth ich mich in Belanglosigkeiten verliere: Ich will alte Kleidung loswerden und finde aber nichts Neues zum Anziehen. Plötzlich stelle ich fest, dass ich fast nichts mehr anhabe. Niemand um mich herum scheint das zu bemerken oder mir helfen zu wollen. 

Ein anderes Mal führt die Vision an einen komplizierten Straßenknotenpunkt, bestimmt von gebogenen Unter- und Überführungen, Einfahrten, Ausfahrten. An dieser Stelle nehme ich immer wieder dieselbe vertraute Abzweigung, sicher, dass sie mich nach Hause führt. Trotzdem lande ich wieder in einer verwirrenden Szene: Einmal in einem Parkhaus, aus dem ich den Ausgang nicht mehr finde. Ein anderes Mal auf einem Weg durch Wiesen und Wälder, ähnlich dem zu Beginn der Reise. 

 

Diese Vision wiederholte sich in variierter Form zwei Jahre lang, bevor sie verschwand. Ein tiefer Lebenseinschnitt erfolgte, der alles veränderte. 

 

 

 

Das „Brackwasser“ der Welt

 

 

Vision 1 (nachts, Meditation):

Ich schwebe über der Erde und schaue auf sie herab wie auf eine Landkarte. Die Farben Grün, Blau und Braun überwiegen.

Wenn ich mich nähere, zieht es mich regelmäßig zum blauen Wasser hin. Ich möchte darin eintauchen und baden. Aber je weiter ich mich dem Ufer nähere, umso mehr verändert sich das Wasser. Es wird trübe, sieht schmutzig aus und fängt an zu schäumen. Mehrere Menschen stehen hüfthoch darin und scheinen ihren Spaß zu haben, als würden sie nicht bemerken, wie es sich verändert.  

Ich fange an, den Strand entlang zu rennen, um eine saubere Stelle zu finden. Als ich darin eintauche und mich schwimmend vom Ufer wegbewege, sehe ich, wie ich mehr und mehr umringt werde von dem Schmutzwasser.

 

Diese Vision wiederholte sich einige Male und endete damit, dass kein Fleckchen sauberes Wasser mehr zu finden war. Das Licht wurde fahler und die mehr intuitiv wahrgenommene Sonne wurde von einem grauen Schleier überlagert. Die ganze Szene wurde in ein "totes", ockerfarbenes Licht getaucht, während der Wasserstand mehr und mehr absank. 

 

Sri Aurobindo: "Der blaue Ozean ist oft ein Symbol des spirituellen Bewusstseins im höheren Mental, eins und unteilbar."

Durch das Eindringen des Supramentalen Lichts in die irdische Materie, also auch im eigenen Körper, waren die Tore des Unterbewussten und Unbewussten berührt worden und der evolutionäre Schlamm begann aufzusteigen ins Bewusstsein. Die Arbeit im Körper begann. Äußerlich war es der Beginn der Loslösung aus dem Berufsleben, da die körperliche Beanspruchung und zeitweilige Erschöpfung stetig zunahm, schwerwiegende Krankheitssymptome auftraten und den Rückzug erforderten. Damals konnte all das noch nicht als spirituelle Krise, geschweige denn als Vorboten der supramentalen Transformation, eingeordnet werden.   

 

Vision 2, nachts: 

 

Ich befinde mich mit anderen am Meer.  Ich renne hin zum Strand, begierig allen zu zeigen, wie gut ich schwimmen kann: Im Butterfly mühelos vorwärts, alle hinter mir zurücklassend. (Das spirituelle Ego in der Anfangszeit?)

 

Die Vision wiederholte sich, aber eine neue Variation trat auf:

Ich registriere plötzlich, dass ich nicht länger schwimme, sondern über das Wasser renne. Ich bin vollkommen allein. Als ich nach unten schaue, sehe ich kein Wasser mehr, nur eine düstere, brackige, schlammige, zähe Brühe. Ich haste in großer Geschwindigkeit darüber hinweg, ohne sie zu berühren, empfinde aber keine Angst.

Irgendwann komme ich an einem Betonbunker ohne Fenster an, der sich mitten in dem morastigen See oder Meer erhebt. Zielgerichtet und mühelos öffne ich die rostige, verriegelte Metalltür. Von innen betrachtet ist das Gemäuer genauso grau und hässlich wie von außen. Es ist ein einziger, etwa fünfzig Meter hoher Raum, rechteckig. Ich erkenne eine alte Metalltreppe am Rand, die nach unten führt. Geht man vom Eingang auf Höhe des "Meeres"-Spiegels aus, erstreckt sich dieser Bau hinein in die Tiefe der Erde (=Materie).  

Schon auf der kleinen Galerie am Eingang dringt ohrenbetäubender Lärm zu mir herauf. Ich halte mich an einem wenig vertrauenserweckenden Geländer fest und schaue hinunter. Der Boden dieses Bunkers ist über die ganze Fläche mit schmutzigem Wasser bedeckt, kniehoch bis maximal Hüfthöhe. In diesem Wasser tobt eine Schar Jugendlicher. Sie schlagen aufeinander ein, reißen sich an den Haaren oder gehen sich an die Gurgel. Eine absolut bösartige Truppe gefühlloser, barbarischer Kinder. Die blanke, entfesselte und nackte Wut. 

 

Dieses Umsichschlagen des Widerstands ist gegenwärtig überall auf der Erde zu beobachten, als Folge des Einwirkens der Supramentalen Macht.

Verdrängte Anteile dieser Wut waren für lange Zeit Teil meines eigenen Themas. Offensichtlich wurde hier ein absolut abgekapselter Bereich des Unterbewusstseins "ausgekehrt". In solchen Momenten wird die globale Vernetzung auf schmerzhafte Weise bewusst. 

Eine zusätzliche Bedeutung bekommt diese Vision im Nachhinein, betrachtet man das momentane Aufbrechen der Wahrheit, was weltweit in unterirdischen Tunnelsystemen jahrhundertlang an Grausamkeiten vor sich ging. Dieses Wissen wurde mir jedoch erst während der Recherchearbeit der letzten Jahre offenbart. Quälende Fragen im Zusammenhang mit meinen in diesem Yoga zu bearbeitende Themen wurden damit endgültig beantwortet. Gleichzeitig erfuhr ich, wie die Auswirkungen ihren "Biss" verloren. Das bedeutet, die Hauptarbeit ist getan.

Ein typisches Phänomen auf diesem Weg: Zuerst die Erfahrung, dann folgt die Erklärung. Die vollkommene Öffnung und Hingabe ist Priorität, und wir neigen dazu, durch Vorwegnahme von  Wissen in unserer Anstrengung zu erlahmen oder versuchen vielleicht, etwas zu imitieren.  Wobei sich letzteres niemand freiwillig antun würde, wüsste er, was ihn in diesem Yoga tatsächlich erwartet. 

 

 

 Erste Früchte der Sadhana

 

Vision 1, nachts: 

 Ich stehe neben meiner Nachbarin und zeige ihr etwas. Im wirklichen Leben haben wir kaum Kontakt zueinander, aber in diesem Moment empfinde ich eine zärtliche Seelennähe zu ihr.

(Im äußeren Leben klagte sie mir gegenüber einige Male über ihre Ängste vor der Angriffigkeit einer bestimmten Person, unter deren Bösartigkeit auch ich regelmäßig zu leiden hatte: Sie gehörte zu unser beider unmittelbaren Wohnumfeld und prahlte damit, schwarze Magie anzuwenden gegen Menschen, von denen ihr angeblich Gefahr drohte. Narzissmus, Alkoholismus und Paranoia prägten ihr eigenes Leben. Einer der Themenkomplexe, der mir in meinem Umfeld seit meiner Jugend begegnete. 

Ich versuchte, meiner Nachbarin mehrmals im Gespräch beizustehen und ihr zu erklären, wie sie sich gegen deren Angriffe innerlich schützen könne. Sie selbst zeigte beginnendes Interesse an spirituellen Themen.) 

In der Vision stehen wir nebeneinander und betrachten einen hochgewachsenen Strauch. Er scheint in einem Garten zu stehen und wird vom Sonnenlicht beschienen. Er trägt Beeren in verschiedener Farbintensität, ähnlich denen eines Johannisbeerstrauches, die je nach Farbe wie von innen heraus leuchten. Es gibt milchig weißtransparente Beeren mit geringerer Leuchtkraft. Dazwischen vereinzelte bräunliche Beeren, schrumpelig, kleiner, verhärtet, wie vertrocknet und abgestorben. Ich lenke die Aufmerksamkeit meiner Nachbarin auf ein paar vereinzelte rote Beeren mit einer auffallenden Leuchtkraft. Sie sind größer als alle anderen, aber nicht so zahlreich. Ich bringe meine Begeisterung darüber zum Ausdruck und sie betrachtet den Strauch mit Interesse.  

 

Es ist das erste Leuchten der Supramentalen Kraft in den Zellen der Materie. Rot ist die Farbe des Physischen. 

 

 

Beim "Zahnarzt"

 

Diese Vision wiederholte sich eine zeitlang in immer anderen Variationen. Sehr unangenehm für das Tagesbewusstsein: 

 

Alle Zähne lockern sich, brechen ab oder verlieren die innere Substanz, bis nur noch die äußeren Fragmente bestehen, die ebenfalls schon brüchig sind. Hilflos beiße ich auf den Zahnteilen herum und sie verkanten sich unangenehm zwischen den restlichen Zähnen, die noch im Kiefer stecken. Es fühlt sich an, als hätte ich den ganzen Mund voll davon. Ich habe Sorge, dass ich dabei noch mehr Zähne "herausbeiße".  

Es passiert alles ohne den geringsten Schmerz. Trotzdem empfinde ich eine gewisse Panik und fingere die Reste ängstlich aus dem Mund. 

Nichts blutet, die zurückbleibende Lücke scheint unmittelbar zu verschwinden und ist nicht von Interesse. Ist der Zahn erst einmal draußen, ist das nicht unangenehm. (Trotzdem vermischt sich hier die symbolische Bedeutung mit dem gewöhnlichen Empfinden des äußeren Bewusstseins, in dem wir eine solche `Operation´ als unerträglich empfinden würden.) 

Als das passiert, habe ich das Bedürfnis, mich zu einem Zahnarzt zu begeben, dass er mir hilft und die Zähne rettet. Dort nehme ich plötzlich eine andere Beobachtungsposition ein: Ich befinde mich in der überdimensionalen Mundhöhle und sehe unbeteiligt von hinter den Zahnreihen zu, wie meine Zähne einer nach dem anderen verschwinden. 

Dann endet die verstörende Vision. 

 

Diese Szenerie wiederholte sich im Abstand mehrerer Monate, wobei manchmal die Seiten wechselten und immer eine unterschiedliche Anzahl weiterer Zähne verschwand. Es waren zu beginn hauptsächlich die Backenzähne, die betroffen waren. Der Verlust der Schneidezähne kam erst später.  

Der linke hintere Backenzahn ließ sich trotz Lockerung nicht sofort entfernen. Er war mit einer Art überdimensionalem Eisenscharnier befestigt, das quietschend und schwer hin- und herschlug, den Zahn aber nicht freigab. „Etwas“ – das, was er repräsentierte – leistete hartnäckig Widerstand.

Inzwischen sind die hintersten Backenzähne auch in vivo verschwunden, bzw. wurzelbehandelt und tot.   

 

Satprem beschreibt in den Carnets dieselben Visionen. Er nannte die Zähne die "alten Gesetze".  Betrachtet man ihre symbolische Entsprechung, wird klar, dass unsere innersten im Körper abgespeicherten Triebe immer noch von unserem tierischen Dasein bestimmt werden:

Backenzähne: Zermalmen, Zerkleinern, Zermahlen; steht auch für Wut, jemand zermalmen zu wollen.

Schneidezähne/Eckzähne (=Fangzähne): Eine Situation oder Person zu "packen" oder in den Griff zu bekommen. 

Im Verlauf dieses Yoga machten sich tatsächlich bestimmte Kontakte mehr und mehr durch Zahnschmerzen bemerkbar. Eine wahre Lektion darüber, wie sehr wir untereinander auch über die Materie vernetzt sind, bekam ich durch eine Person aus meinem unmittelbaren Umfeld zu spüren, zu der ich aber keinen direkten Kontakt hatte. Was ich bei dem jungen Mann ständig wahrnahm, war der große Groll, den er mit sich herumtrug und der sich regelmäßig lautstark am Telefon anderen gegenüber entlud. Er schien unter dem permanenten Empfinden zu leiden, ungerecht behandelt zu werden.

Vor einigen Wochen zog der junge Mann um. Damit verschwanden plötzlich meine ständigen Zahn- und Magenschmerzen, die mich zunehmend geplagt hatten. Das Phänomen sollte bei mir jedoch einige Monate später noch einmal Thema werden, als die betreffenden Körperareale bearbeitet wurden. Es erinnerte mich assoziativ an einen nahen Vorfahren, der unter demselben Thema gelitten hatte wie der junge Mann. Deshalb sollte man das `Vermächtnis´ der Ahnen sehr differenziert betrachten.

 

In einer späteren Vision waren wie gesagt dann die Schneidezähne betroffen, als erstes die obere Reihe. Interessant daran war, dass zwei der entfernten Zähne wunderschön geschmückt oder verziert waren, türkis- und goldfarben. Trotzdem wurde ihr Verlust hinterher ohne jedes Bedauern zur Kenntnis genommen. Vielleicht repräsentierten sie das Bedürfnis, tugendhaft oder spirituell erscheinen zu wollen? Vielleicht sogar, um der zunehmenden Ausgrenzung und Anfeindung zu entgehen? Denn es ist ein typischer Begleitumstand, dass das Bewusstsein, das durch uns wirkt, auch in unserem Umfeld schonungslos aufbricht, was der Läuterung bedarf. Vor allem, wenn irgendetwas mit unseren Themen in Resonsnz geht. Bevor man begreift, weshalb es besser ist, über den eigenen Weg zu schweigen, ist es oft zu spät und man hat als "Bote" und Auslöser den Rückschlag zu erdulden.

Doch auch der "Zahn der Tugend" wird uns in diesem Yoga schonungslos gezogen. Unser neues Sein wird jenseits von Sünde oder Tugend liegen. 

 

 

 Falls der Traum symbolisch ist, hat das Ausfallen der Zähne die Bedeutung, dass alte oder starre Gewohnheiten des physischen Mentals verschwinden.

 

Sri Aurobindo

 

 

Die weiße Brücke

 

Diese Vision fand vor Jahren statt, als ich von Satprem oder seinen Carnets d'une Apocalypse noch nichts gehört hatte. Um so verblüffender ist es, dass sie sich mit jener Vision nahezu deckt, die Satprems Freund darin schilderte:  

 

Ich stehe vor einer weißen Brücke. Sie ist gebogen, führt also zuerst leicht nach oben, bevor sie sich ans andere Ufer neigt. Wie aus einer weiß lackierten, durchbrochenen  Stahlkonstruktion aus einem Guss. Sie ist wunderschön und macht einen absolut stabilen Eindruck. Mit einem sicheren Geländer links und rechts, das ein Abstürzen unmöglich macht.

Über der begehbaren Fläche, ähnlich einer breiten Straße, erheben sich stabile Verstrebungen: Sie wirken elegant und strahlen zugleich eine zuverlässige Festigkeit aus. 

Ein paar Leute stehen vor der Brücke, aber sie gehen nicht hinüber. Ich weiß nicht, auf was sie warten, es interessiert mich auch nicht. Ich klettere ohne Zögern die Stahlstreben hoch und bewege mich über der Brücke auf allen Vieren vorwärts, um auf die andere Seite zu gelangen. 

Ich frage mich, ob es unverschämt ist, nicht wie die anderen zu warten und einfach auf diesem Weg vorauszugehen?   

Die Brücke wird von einem hellen Licht beschienen: Als wäre ein wunderschöner Sommertag. Für einen kurzen Moment habe ich das Bedürfnis, von der Brücke abzulassen und mich in das Licht über mir "hineinschmelzen" zu lassen.   

Ich erwache, bevor ich die andere Seite der Brücke erreiche.

 

Wie Satprem es deutete, war das wohl die Brücke zwischen der alten und der neuen Welt, die Sri Aurobindo und Mutter für uns bauten, um nachzufolgen.  

 

Ein paar Worte möchte ich an dieser Stelle zu Satprem hinterlassen: Im Ashram wird er mittlerweile als persona non grata bezeichnet. Er hatte seine inneren und äußeren Kämpfe zu fechten wie wir alle, und das tat er auf sehr impulsive Weise, die bestimmt manche vor den Kopf stieß. Dass er jedoch unschätzbares Wissen in seinen Büchern hinterließ, ist unbestreitbar und deckt vor allem die Praxis der Transformation ab, zu der Sri Aurobindo sich so gut wir gar nicht äußerte. Mutter bedauerte das selbst sehr oft. Aber Sri Aurobindo hatte ihr die Aufgabe übertragen, die Transformation zu Ende zu bringen, da er wusste, dass ihr Körper hingebungsvoller war als der seine. Sie übernahm nicht nur diese Aufgabe, sie gab auch so viele Erkenntnisse wir nur möglich darüber weiter – sicher nicht ohne Grund. 

Satprems Berichte über die Transformation der Mutter und zum Teil seine eigene und die Erkenntnisse daraus waren es, die mir durch die körperlichen Tiefen meines Wegs halfen, da sie mein äußeres Leben zunächst vollkommen zusammenbrechen ließen. Ohne seine Literatur wäre ich zuweilen verzweifelt, da mir niemand sagen konnte, was mit mir und in meinem Körper passierte. Der Verstand war verständlicherweise in Aufruhr und brauchte zu Beginn dieses Wissen. Die Agenda der Mutter, die Satprem Tag für Tag mit einem Kassettenrekorder aufzeichnete und später in Frankreich veröffentlichen ließ, wurde mein täglicher Begleiter und Halt. Satprem hatte wohl seine Gründe, sie ins Ausland zu bringen. 

Wer sich heute abfällig über ihn äußert, geschweige denn ihn als person non grata ablehnt, hat nichts von dem verstanden, wofür Sri Aurobindo und Mutter geforscht und gelitten hatten. Wenn man dem Anspruch gerecht werden möchte, der dem integralen Yoga zugrunde liegt, sein Bewusstsein so weit werden zu lassen, dass es Allem entspricht was ist, wie kann man dann irgendjemand oder irgendetwas ausschließen und verdammen? Das bedeutet, dass man entweder nicht bereit ist für dieses Wachstum oder weiter sein eigenes Süppchen kochen möchte.  Das ist meine persönliche Meinung.

Ich bin überzeugt davon, dass es damals viele Neider gab, die um die Gunst der Mutter buhlten und ihm missgönnten, wieviel Zeit er mit ihr verbrachte. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie alle Probleme aus unseren innersten Tiefen aufbrechen und hochsensibel getriggert werden von unserem Umfeld, sobald wir diesen Weg ernsthaft beschreiten. Und bis wir es besser wissen, sind wir vollkommen von der "Richtigkeit" unserer Meinung überzeugt, weil unser Bewusstsein noch nicht weit genug ist.

Auch für Sri Aurobindo und Mutter war es erschreckend, mitanzusehen, wie alle Sadhaks im Ashram plötzlich anfingen, untereinander zu hadern und zu streiten. Oder sich gar für göttlich privilegiert zu halten und ihrerseits plötzlich Schüler um sich zu scharen und Mutter zu "belehren". Für mich ist das eine nachvollziehbare Entwicklung, der man sich in seinem inneren immer wieder stellen muss. Das erkannte auch Sri Aurobindo, aber er wusste, dass dieses Laboratorium aus möglichst vielen menschlichen Abgründen eine repräsentative Notwendigkeit war, die Arbeit auf der Erde erfolgreich zu tun. 

Satptem selbst erwähnte später, die Ashramiten hätten Mutter und die Suptramentale Transformation nach deren physischem Weggang verraten. Tatsächlich schweben viele immer noch in den lichten Höhen des friedlichen weißen Nirvanas. Dieser Weg hat in Indien eine lange Tradition und prägt die spirituellen Bemühungen bis heute. Für viele Jahre den eigenen Anteil wenig erbaulichen Morasts in Physis und Vital auf sich zu nehmen, der damit rein gar nichts mehr zu tun, schreckt sie ab. Also wird vor allem Sri Aurobindo rauf und runter philosophiert, salbungsvoll gepredigt, sich zur Schau gestellt und Bücher geschrieben.

Das "Werden", das Mutter immer wieder betonte, wird kaum noch erwähnt oder in die Zukunft verschoben. Das ist unverfänglicher und bequemer.  

"Viele sind berufen, aber nur wenige sind auserwählt." Das wusste schon Jesus Christus. Denn Wahrheit ist kompromisslos – wie dieser Weg. Das wird einem immer wieder gezeigt, buchstäblich am eigenen Leib. Denn das wirklich herausfordernde und absolut neue daran ist die körperliche Transformation. 

 

 

 Das Insekt

 

 

Vision, nachts 

Ich bewege mich im Keller eines alten Gebäudes vorwärts. Es ist stockdunkel. Ich richte mein Licht (?) auf eine dunkle Ecke. In der Wand ist ein Riss, halb verborgen durch ein altes Holzschrankteil. Aus diesem Spalt ragt das spitz zulaufende Hinterteil und der Körper eines gigantischen grauen Insekts heraus. Es verbirgt – absichtlich oder unabsichtlich? – seinen Kopf in dem Spalt. Vielleicht auch wollte es entkommen und blieb stecken? 

Es ist ohne Kopf etwa zweieinhalb Meter lang und in der Mitte des Körpers einen guten Meter dick.

Es interessiert mich nicht, ob es noch lebt oder nicht. Ich empfinde Furcht und Ekel. Aber ich überwinde meine Angst und fasse den Entschluss, dass es auf jeden Fall getötet werden muss. 

In dem Moment erwache ich. 

 

Ein lange quälender äußerer und innerer Zustand, auch hinsichtlich der Ohnmacht gegenüber meinem unmittelbaren belastenden Lebensumfeld, löste sich daraufhin auf. 

Folgende Deutung fand ich in dem Zusammenhang bemerkenswert:

 

"Insekten sind ambivalente Symbolgestalten, wobei für den Menschen allerdings die unangenehmen, schädigenden, stechenden, blutsaugenden, giftspritzenden, Krankheiten übertragenden, beißenden, fressenden, verfolgenden, anekelnden Aspekte der Insekten zu überwiegen scheinen.

Als Gattung in ihrer Vielheit und als Schwärme haben sie symbolischen Bezug zum vegetativen Nervensystem, das nicht dem bewussten Willen des Ich unterworfen ist. Träume von Insektenschwärmen, Insektenvölkern und Schadinsekten in größerer Menge verweisen daher möglicherweise auf Beunruhigung und auf Störungen des Vegetativums.

Insekten vermitteln ein Gefühl von Ausgeliefertsein, Zudringlichkeit, Eigensinn, Grenzverletzung, des Eindringens. Sie kommen durch die kleinsten Ritzen, nisten sich als Ungeziefer in Häusern und Haaren ein, dringen durch die Haut in den Körper; ihre Geräusche dringen ins Ohr. Sie trotzen all unseren Abwehrmaßnahmen, werden resistent gegen diese.

In ihren dunklen Aspekten sind Insekten nahe an Verletzung, Schmutz, Kot, Fäulnis, Verwesung, Verderbnis, Aas, Zersetzung und Tod.

Den Himmel verdunkelnde Heuschreckenschwärme werden als biblische Plage und Strafe Gottes beschrieben.

Im Volksglauben sind sie überwiegend Hölle, Teufel, Hexen, Zauberern und Dämonen zugeordnet.

In Goethes Faust nennt sich Mephistopheles: "Der Herr der Ratten und der Mäuse, der Fliegen, Frösche, Wanzen und Läuse." In J. P. Sartres "Die Fliegen " stehen diese als Zeichen für Schuld. Nicht zu vertreibende Schuldgefühle, sind mit den schwärmenden Erinnyen verbunden.

In F. Kafkas "Die Verwandlung " wacht Gregor eines Morgens in einen Käfer verwandelt auf, erlebt das Ausgeschlossen- und Abgesondert sein von seiner Familie und stirbt schließlich an der ihm entgegengebrachten Lieblosigkeit und Aggression.

In Horrorfilmen wird die beängstigende Seite der Insekten thematisiert, wenn verschiedene riesige tötende, fressende Killerinsekten in ständig wachsenden Schwärmen über Landstriche herfallen.

Übergriffige und eindringende Menschen, aber auch Triebansprüche und Gewissensbisse können in Träumen und Fantasien als Insekten verkörpert sein, gegen die es keine geeigneten Abwehrmaßnahmen gibt. ..."

(symbolonline.de, Hanna Wolter, Autorin)

 

Von seinen Schülern nach der Symbolik von Insekten befragt, erklärte Sri Aurobindo: "Fliegen: etwas Geringes im kleinen Vital. ... Offensichtlich sind die weißen Ameisen symbolisch für kleine, aber zerstörerische Kräfte im niederen Vital und Physischen."

Wie groß und lebensbestimmend war die zerstörerische Kraft beim Ausmaß meines riesigen Insekts? Ich habe es erfahren. 

 

 

Die Prophezeiung

 

 Nächtliche Vision des Körpers 

 Ich erwache und erlebe "mich" in einem fließenden Zustand. Ich werde sanft getragen und bewegt in einem Meer aus Licht, gleich unendlich vielen lebendigen, kleinen Sonnen in der Dunkelheit. Der Körper empfindet eine nie dagewesene glückselige Leichtigkeit und Elastizität. Nicht der geringste Schmerz, keinerlei Schwere oder Empfinden von "mein" oder der Grenze seiner selbst.

Und dennoch löst er sich darin nicht auf, sondern behält sein individuelles Bewusstsein. Er ist Licht vom Licht, das ihn umgibt und bewegt. 

 

Der Moment dauerte nur ein paar Sekunden. Aber es war eine der wundervollsten, einprägsamsten körperlichen Erfahrungen auf diesem Weg. Sie stand am Anfang der schwierigen Phase des Yoga in den Körperzellen. Die Worte unserer Sprache sind ungenügend für eine angemessene Beschreibung. 

Dieses Phänomen trat immer wieder auf: Vorwegnehmend eine wunderbare Erfahrung, auf die eine längere Phase der Ausarbeitung folgte. Die Erinnerung daran wurde als hilfreicher "Rettungsanker" empfunden, wenn alles trostlos und sinnlos erschien. Als flüsterte mir jemand zu: "Hab keine Angst. Schau, so wird es sein ...."

 

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin noch nicht am Ende angekommen. Ich weiß auch nicht, ob ich den letzten Schritt vollbringen werde. Aber Aufgeben ist keine Option, seit sich das seelische Wesen vor Jahren mit dem Supramentalen Licht in einem für das Gemüt erschütternden Moment verbunden hat.

Diese Verbindung scheint unlösbar. Meine Seele hat sich entschieden, egal wie oft meine äußere Person revoltiert. Aber es ist im Laufe der Jahre wesentlich leichter geworden und die innere Klarheit und Stärke haben zugenommen.

 

 

 

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Beitrag vom 25. April 2018, überarbeitet am 18. Juni 2021

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