Weshalb möchte ich den Weg des Integralen Yoga beschreiten?

 

 

 

Der höchste Herr bestimmt unverrückbar deine Stellung im universellen Konzert, doch was auch immer diese Stellung sein mag, du hast dasselbe Recht wie alle anderen, die höchsten Gipfel bis zur supramentalen Verwirklichung zu erklimmen.

 

Sri Aurobindo

"Nichts für Feiglinge" (die Mutter)

 

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, gibt es ab einem gewissen Zeitpunkt untrügliche Anzeichen dafür, auf welchen Weg man berufen wurde. Wie schon Sri Aurobindo feststellte, legt sich die anfängliche Euphorie jedoch bald, wenn die Arbeit im Körper beginnt:

Man erfährt, wie sich im körpereigenen System der Widerstand erhebt gegen die Machtübernahme des göttlichen Bewusstseins bis hinein ins letzte Atom unseres Seins. In die tiefsten Winkel unserer Schmach, die wir verdrängt haben, um sie vor der Außenwelt zu verbergen. Und nicht nur unsere aus dieser Inkarnation, sondern auch die unserer Vorfahren, die ebenso in unserem Fleischkleid abgespeichert ist. Dazu dockt in diesem Yoga zusätzlich ein Schwingungsbündel aus der globalen Materie an, zu dem wir durch unsere Vernetzung in Resonanz gehen und das unserem Grundthema entspricht. Denn diesen Yoga macht man nicht für sich allein.

 

Der für gewöhnlich rastlose Intellekt versucht, die Kontrolle über die Lebensführung möglichst lange zu behalten. Dabei verbündet sich das Mental meist unbemerkt mit den vitalen und körperlichen Begehrlichkeiten, die es wortreich unterstützt und rechtfertigt. So redet man sich zum Beispiel das emotional entgleiste Wortgefecht schön, in dem man wieder eimal seine Eloquenz in die Waagschale geworfen hat, um daraus siegreich hervorzugehen. Oder die zweite Portion Pasta wird dem Hunger zugeschrieben, weil der Gaumen sein geschmackliches Lustgefühl länger auskosten wollte. Obwohl der Körper längst signalisierte, dass er genug hat.  

Dazu kommt das defätistische Bewusstsein der Körperzellen. Es hat sich in all die leidvollen Erinnerungen eingerollt, die es im Laufe seiner Evolution erfahren musste. Deshalb erwartet es stets das Schlimmste.  

 

Die Zweifel, die sich dadurch erheben, sind nicht außergewöhnlich auf diesem Weg. Es kommen tatsächlich Phasen auf einen zu, in dem all das ins Tagesbewusstsein hochsteigt, um transformiert zu werden. Dann unterliegt man für eine Weile diesem unwirklichen Bann. Tatsächlich kann das gerade bearbeitete Körperareal schmerzen oder sogar leichten Schaden nehmen, wenn der Widerstand zu groß wird und die Hingabe an die göttliche Aktion nicht gelingt.  In diesen Zeiten möchte man zuweilen ausbrechen. Man denkt, "schmerzhafter" kann es nicht mehr kommen, man sei gescheitert oder werde sein Ziel nie erreichen. Aber das hat nichts damit zu tun, dass man "unfähig" oder ein schlechter Schüler des Integralen Yoga ist. Es sind uralte Bewusstseinsinhalte, die für eine Weile zu "ich", und "mein" werden, die vor allem für die Psyche eines sensiblen und komplex empfindungsfähigen Homo sapiens eine immense Herausforderung sind. Aber ebenso plötzlich verschwinden sie wieder vollkommen, wenn der Läuterungsschub vorbei ist. 

Dazu kommt, dass die widergöttlichen Mächte nicht schlafen und jede Schwäche nutzen, uns vom Weg abzubringen – bis wir am Ziel sind. Aus diesem Grund werden sie vom Göttlichen noch geduldet. Damit wir uns eindeutig für die höchste Wahrheit entscheiden, ohne Wenn und Aber, in jeder Situation, auch das Körperbewusstsein: Willst du das (ewige) Leben oder willst du den Tod? Willst du das glauben, was du in deinem evolutionären Ringen bisher erfahren hast oder glaubst du dem Göttlichen Bewusstsein, das dich jetzt von diesen Schlacken befreien und dir deine Macht zurückgeben möchte?

Diesen Schmerz der Überwindung kann man gut an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Balle deine Faust für ein paar Minuten, so fest du kannst. Dann öffne sie und versuche, deine Finger zu entspannen. 

 

 

Sri Aurobindos und Mutters Warnungen im Wortlaut

 

 "Das Ziel des Yoga ist immer schwer zu erreichen, doch dieser Yoga ist schwieriger als irgendein anderer und nur für jene geeignet, die den Ruf für ihn haben, die die Fähigkeit und den Willen besitzen, allem zu begegnen, jeder Gefahr, selbst der des Fehlschlags, und die den Willen haben vorwärtszuschreiten einer völligen Selbstlosigkeit, Wunschlosigkeit und Hingabe entgegen."

 

"Dieser Yoga bezieht nicht nur die Verwirklichung Gottes mit ein, sondern auch eine völlige Weihung und Wandlung des inneren und äußeren Lebens, bis es bereit ist, ein göttliches Bewusstsein zu manifestieren und Teil einer göttlichen Arbeit zu werden. Dies bedeutet eine innere, viel anspruchsvollere und schwierigere Disziplin als es die rein ethischen und physischen Enthaltsamkeit sind. Man darf diesen Pfad, der ungleich weitreichender und mühsamer als die meisten Yogawege ist, nicht betreten, wenn man sich seines seelischen Rufes und seiner Bereitschaft, bis zum Ende durchzuhalten, nicht gewiss ist.

Wenn jemand für den Pfad bestimmt ist, dann werden ihn trotz aller Umwege des Mentals und Lebens alle Umstände auf die eine oder andere Weise zu diesem hinführen. Es ist das eigene seelische Wesen in ihm und die Göttliche Macht darüber, die zu diesem Zweck sowohl die Wechselhaftigkeiten des Mentals als auch die äußeren Umstände benutzen."

 

"Die spirituelle Bestimmung bleibt immer bestehen – sie mag sich verzögern oder für eine gewisse Zeit verloren erscheinen, aber sie wird niemals aufgehoben."

 

             Sri Aurobindo, Briefe über den Yoga II,  DIE GRUNDVORAUSSETZUNGEN DES PFADES

 

Das Göttliche Bewusstsein beurteilt, wann jemand reif genug ist, den Weg des Integralen Yoga und der körperlichen Transformation zu beschreiten. Selbst, wenn wir durch das geburtliche Vergessen in dieser Inkarnation nichts mehr von den spirituellen Vorbereitungen in unseren vergangenen Leben wissen. Vielleicht liegen wir sogar aufgrund schwerer Schicksalsschläge mit Gott im Kampf, oder besser gesagt: Mit dem, was wir für Gott halten. Ohne zu erkennen, dass er uns durch das Ringen mit Ihm die nötigen Kräfte zuwachsen lässt und uns längst an sich gebunden hat.   

Besonders eindringlich sind Sri Aurobindos Worte in dem Kapitel "DAS GESETZ DES WEGES" aus der Schrift "Die Stunde Gottes". Man lese sie in dem Bewusstsein, auf diesem Weg nie allein zu sein. Wir werden zu jeder Zeit vom göttlichen Bewusstsein, Sri Aurobindo und der Mutter beschützt und geführt. Die Schwierigkeit ist, das in jeder Situation durch vollkommene Hingabe zuzulassen und anzunehmen:

 

"Zuerst sei dir des Rufes sicher und der Antwort deiner Seele. Denn wenn es nicht der wahre Ruf ist, nicht die Berührung der Mächte Gottes oder die Stimme seiner Boten, sondern der Lockruf deines Ego, dann wird das Ende deiner Mühen ein erbärmliches spirituelles Fiasko oder gar ein tiefes Verhängnis sein.

Und wenn nicht die Leidenschaft der Seele, sondern nur die Zustimmung oder das Interesse deines Mentals auf den göttlichen Ruf antwortet, oder wenn es nur die Wünsche des niederen Lebens sind, die sich der einen oder anderen Annehmlichkeit unter den Früchten der Yogakraft oder der Yogafreude bemächtigen wollen, oder wenn bloß eine vorübergehende Gefühlsregung wie eine unstete Flamme aufflackert, angefacht von der Eindringlichkeit der [göttlichen] Stimme oder ihrer Süße oder Erhabenheit,  auch dann kann nur geringe Sicherheit für dich bestehen auf dem schweren Weg des Yoga.

Die äuβeren Hilfsmittel des sterblichen Menschen haben nicht die Kraft, ihn durch die strengen Prüfungen dieser spirituellen Reise und titanischen inneren Schlacht zu tragen. Sie geben ihm nicht den Mut, seine schrecklichen oder hartnäckigen Feuerproben zu bestehen oder seinen subtilen und entsetzlichen Gefahren zu begegnen. Allein der erhabene und unbeugsame Wille seines Spirits und das nicht zu löschende Feuer der unbesiegbaren lnbrunst seiner Seele reichen für diese schwierige Umwandlung und dieses hohe, unmöglich scheinende Streben aus.

Bilde dir nicht ein, der Weg sei leicht. Der Weg ist lang, mühevoll, gefährlich und schwierig. Auf Schritt und Tritt lauert ein Hinterhalt, an jeder Wende eine Falle. Tausend sichtbare und unsichtbare Feinde werden sich gegen dich erheben, schrecklich in ihrer Hinterlist gegenüber deiner Unwissenheit, furchtbar in ihrer Macht gegenüber deiner Schwäche. Und wenn du sie unter Schmerzen vernichtet hast, werden sich tausend andere erheben, um ihren Platz einzunehmen. Die HöIle wird ihre Horden ausspeien, um sich dir zu widersetzen, dich zu umzingeln, zu verwunden und zu bedrohen. Der Himmel wird dir mit seinen erbarmungslosen Prüfungen und seinen kalt leuchtenden Verweigerungen begegnen. Du wirst dich allein gelassen finden in deiner Not, die Dämonen wütend auf deinem Pfad, die Götter ungeneigt über dir. Uralt und mächtig, grausam, unbesiegt und nah und unzählbar sind die dunklen und schrecklichen Gewalten, die von der Herrschaft der Nacht und der Unwissenheit profitieren und keine Änderung zulassen und feindselig sind. Ungerührt und bedächtig, fern und vereinzelt und kurz in ihrem Erscheinen sind die Leuchtenden, die willens sind oder denen es erlaubt ist, dir zu helfen.

Jeder Schritt voran ist eine Schlacht. Es gibt schroffe Abstiege,  es gibt nicht enden wollende Aufstiege, und es gilt immer höhere Gipfel zu erobern. Jede erklommene Ebene ist nur eine Etappe auf dem Weg und offenbart endlose Höhen darüber. Jeder Sieg, den du für den endgültigen Triumph deines Kampfes hältst, erweist sich als das Vorspiel zu hundert hitzigen und gefahrvollen Schlachten....

Du aber sagst, Gottes Hand werde dich führen und nah sein die göttliche Mutter mit ihrem hilfreichen und barmherzigen Lächeln? Und du weißt nicht, daß Gottes Gnade weit schwerer zu gewinnen und zu bewahren ist als der Nektar der Unsterblichen oder Kuveras unermessliche Schätze? Frage seine Auserwählten, und sie werden dir sagen, wie oft der Ewige sein Antlitz vor ihnen verbarg, wie oft er sich ihnen entzog hinter seinem geheimnisvollen Schleier und wie sie sich allein in den Klauen der Hölle fanden, einsam im Schrecken der Finsternis, nackt und schutzlos in der Bedrängnis der Schlacht.

Und wenn seine Gegenwart hinter dem Sehleier fühlbar ist, so ist sie doch wie die Wintersonne hinter Wolken und schützt nicht vor Regen und Schnee und dem verheerenden Sturm und dem rauen Wind und der bitteren Kälte und dem Grau einer düsteren Atmosphäre oder bleiernen Eintönigkeit. Zweifellos ist die Hilfe selbst dann vorhanden, wenn sie sich zurückgezogen zu haben scheint, aber trotzdem gibt es den Anschein völliger Nacht ohne eine Sonne, die aufgehen wird, und ohne einen Stern der Hoffnung, der die Schwärze durchdringt.

Wunderschön ist das Gesicht der Göttlichen Mutter, doch auch sie kann hart und furchterregend sein. Ist denn die Unsterblichkeit ein Spielzeug, das man leichthin einem Kind schenkt, oder das göttliche Leben ein mühelos zu erringender Preis oder die Krone für einen Schwächling? Bemühe dich recht, und du wirst erlangen; vertraue, und dein Vertrauen wird am Ende gerechtfertigt sein. Doch das furchtbare Gesetz des Weges besteht, und keiner kann es aufheben."  

 

Auch Mutter wurde regelmäßig von ihren Schülern befragt und gab geduldig und verständlich Auskunft: 

 

"Warum wollt ihr den Joga? Um Macht zu gewinnen? Um Ruhe und Frieden zu finden? Um der Menschheit zu dienen? Keiner dieser Gründe beweist ausreichend, dass ihr für den Pfad bereit seid. Auf folgende Frage müsst ihr Antwort geben:

Wollt ihr den Joga aus Liebe zum Göttlichen? Ist das Göttliche das höchste Ziel eures Lebens, so sehr, dass es euch ganz unmöglich wäre, ohne es auszukommen? Fühlt ihr, dass der eigentliche Zweck eures Daseins das Göttliche ist, ohne das es stumpf und sinnlos wäre?

Dann, und nur dann lässt sich sagen, dass ihr für den Pfad bereit seid.

Dies ist die erste Stufe: Sehnsucht nach dem Göttlichen.

 

Die nächste Stufe besteht darin, diese Sehnsucht zu vertiefen, sie immer wach zu halten, sie lebendig und stark zu machen. Dahin führt euch einzig Konzentration — sich auf das Göttliche ausrichten, sich unbedingt und ganzheitlich seinem Willen und seiner Absicht weihen.

Sammelt euch im Herzen. Dringt so weit und so tief ein als möglich. Zieht alle Fäden eures schweifenden Bewusstseins ein, haltet sie zusammen und taucht in das Schweigen eures inneren Wesens.

Eine Flamme brennt in der ruhigen Tiefe eures Herzens: dies ist das Göttliche in euch — euer wahres Wesen. Hört auf seine Stimme. Folgt seinen Eingebungen.

Es gibt noch andere Zentren der Sammlung, z. B. eines über dem Kopf und eines zwischen den Augenbrauen. Jedes hat seine Wirksamkeit und bringt seine besonderen Ergebnisse. Das zentrale Wesen aber wohnt im Herzen, und aus dem Herzen erwächst jede dynamische Regung, aller Umwandlungswille, alle Kraft der Verwirklichung." 

 

"Um den Druck der Herabkunft des Göttlichen auszuhalten, müsst ihr sehr stark und machtvoll sein, sonst geht ihr in Stücke.

Es gibt Leute, die fragen: „Warum ist das Göttliche noch nicht erschienen?“ Nun, weil ihr nicht bereit seid. Wenn schon ein kleiner Tropfen euch singen, tanzen und schreien lässt, was würde geschehen, wenn das Ganze herunterkäme?

Darum sagen wir denen, die in ihrem Körper, ihrem Vitalen und ihrem Geist keine genügend feste und weite Grundlage haben: „Zieht nicht“, das heißt, „versucht nicht mit Gewalt, die Kräfte des Göttlichen anzuziehen, sondern wartet im Frieden und in der Ruhe.“ Denn sie könnten die Herabkunft gar nicht aushalten. Doch jenen, die das nötige Fundament haben, sagen wir im Gegenteil: „Strebt und zieht.“ Denn sie können die herabkommenden Kräfte des Göttlichen aufnehmen, ohne aus der Fassung zu geraten.

Manchen geschieht es, dass ihnen, sobald sie sich dem Göttlichen zuwenden, jede materielle Stütze und alles, was sie lieben, entzogen wird. Hegen sie zu jemand eine Zuneigung, so verlieren sie ihn ebenfalls.

Das geschieht nicht jedermann, sondern nur denen, die berufen werden."  

 

7. April 1929, Gespräche mit der Mutter

 

  

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